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Konsequente Betreuung und oder Strafverfolgung jugendlicher Straftäter

Als pdf: 17/2487 | Konsequente Betreuung und oder Strafverfolgung jugendlicher Straftäter (Große Anfrage)


BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG 17. Wahlperiode

Drucksache

17/2487
22. 04. 03

Große Anfrage
der Abg. Klaus-Peter Hesse, Viviane Spethmann, Bettina Pawlowski, Carsten Lüdemann, Marcus Weinberg (CDU) und Fraktion, der Abg. Karina Weber, Gunnar Butenschön, Peter Paul Müller, Stephan Müller, Karl-Heinz Winkler (Partei Rechtsstaatlicher Offensive) und Fraktion, der Abg. Leif Schrader, Rose-Felicitas Pauly, Ekkehard Rumpf, Dr. Wieland Schinnenburg, Martin Woestmeyer, Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) vom 26. 03. 03 und

Antwort des Senats

Betr.: Konsequente Betreuung und/oder Strafverfolgung jugendlicher Straftäter
Im Rahmen einer gesicherten richterlichen Unterbringung von jugendlichen Straftätern wird neben der Möglichkeit des Jugendarrestes und der Untersuchungshaft in Hahnöfersand auch von der Vermeidung von Untersuchungshaft gemäß §§ 71, 72 JGG Gebrauch gemacht. Darüber hinaus können die Jugendrichter aber auch z.B. die Unterbringung in auswärtigen Einrichtungen anordnen. Die Justizbehörde hat angekündigt, die Plätze zur Vermeidung von Untersuchungshaft in Hamburg von sechs auf acht zu erhöhen. Zudem soll mit Hilfe eines speziell auf diese Jugendlichen ausgerichteten pädagogisch-therapeutischen Konzepts dafür gesorgt werden, dass nicht nur ein erhöhter Sicherheitsstandard der so genannten JGU-Plätze gegenüber anderen Erziehungseinrichtungen vorhanden ist, sondern auch ein strukturierter Tagesablauf sowie eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Jugendlichen gewährleistet ist. Auch beim Jugendarrest gibt es ein neues Konzept für die intensive kurzzeitige Einwirkung. Unabhängig von den Möglichkeiten der Unterbringung von jugendlichen Straftätern hat zudem die Dezentralisierung des Bezirksjugendgerichts begonnen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Tage haben jugendliche Straftäter in Hamburg durchschnittlich in Untersuchungshaft verbracht? (Bitte getrennt angeben für die Jahre 1998 bis 2002.) 2. Wie hoch ist die durchschnittliche Verweildauer jugendlicher Straftäter in Untersuchungshaft in anderen Bundesländern? Die durchschnittliche Verweildauer jugendlicher Straftäter in der Untersuchungshaft in Hamburg ergibt sich aus folgender Tabelle: Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 Durchschnittliche Verweildauer 56 Tage 56 Tage 57 Tage 58 Tage 58 Tage

Statistiken anderer Bundesländer mit Angaben zur Verweildauer werden bundesweit nicht ausgetauscht.

Bürgerschaftsdrucksachen – außer Senatsvorlagen – sind – gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier – zu beziehen bei: Druckerei Wartenberg & Söhne GmbH, Theodorstraße 41 w, 22761 Hamburg, Telefon 89 97 90 - 0


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3. Hält der Senat die Dauer in Hamburg hinsichtlich des für jugendgerichtliche Strafverfahren bestehenden besonderen Beschleunigungsgebotes mit dem Ziel möglichst kurzer Untersuchungshaft für angemessen? Wenn nein, welche Maßnahmen gedenkt der Senat zur Beschleunigung der Strafverfahren zu ergreifen? Ja. Die in den Jahren 1998 bis 2002 nahezu konstante durchschnittliche Verweildauer jugendlicher Straftäter in der Untersuchungshaft ist für die Beurteilung der Angemessenheit der Dauer der Untersuchungshaft im Hinblick auf das in jugendgerichtlichen Haftsachen bestehende besondere Beschleunigungsgebot allerdings nicht geeignet. Denn die Dauer der Untersuchungshaft ist in einzelnen Verfahren sehr unterschiedlich. Sie hängt insbesondere von der Zahl der Tatvorwürfe sowie der Schwierigkeit und dem Umfang der erforderlichen Ermittlungen ab. Strafverfolgungsbehörden und Gerichte in Hamburg tragen dem Beschleunigungsgrundsatz in jugendgerichtlichen Haftsachen in besonderem Maße Rechnung. 4. Wie hoch war die bisherige Auslastung der zwei intensiv betreuten Wohngruppen (IBWs) seit deren Bestehen 1998? (Bitte die Anzahl der Plätze sowie die jährliche prozentuale Auslastung angeben.) Der Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung (LEB) hat von November 1998 bis zum 31. Dezember 2002 Plätze in zwei Einrichtungen „Intensiv Betreute Wohngruppen“ (IBW) vorgehalten, in denen neben Hilfen zur Erziehung nach § 34 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) auch Unterbringungen nach §§ 71 und 72 Jugendgerichtsgesetz (JGG) zur Untersuchungshaftvermeidung durchgeführt wurden. Hierfür waren ab 1999 sechs von insgesamt 16 vorhandenen Plätzen vorgesehen. Seit dem 1. Januar 2003 bietet der LEB in einer Einrichtung acht Plätze „Jugendgerichtliche Unterbringung“ (JGU) an, die ausschließlich auf der Rechtsgrundlage der §§ 71 und 72 JGG belegt werden können. Die Zahl der vorgehaltenen Plätze in den IBW bzw. den JGU und ihre Auslastung stellt sich wie folgt dar:

Jahr Ab 11/1998 1999 2000 2001 2002 01.01. – 28.02.03

Vorgehaltene Platzzahl 5 Plätze 1.1.-30.4.: 5 Plätze 1.5. – 31.12.: 16 Plätze 16 Plätze 16 Plätze 16 Plätze 8 Plätze

Prozentuale jährlich 39,27 % 53,81 % 62,58 % 46,36 % 58,40% 58,17 %

Auslastung

5. Wie viele Tage haben jugendliche Straftäter in Hamburg durchschnittlich in den IBWs nach §§ 71, 72 JGG verbracht? (Bitte getrennt angeben für die Jahre 1998 bis 2002.) Die durchschnittliche Verweildauer der nach §§ 71 und 72 JGG in den IBW untergebrachten Jugendlichen ergibt sich aus folgender Tabelle: Jahr Ab 11/1998 1999 2000 2001 2002 Durchschnittliche Verweildauer 41,04 Tage 55,30 Tage 77,86 Tage 55,37 Tage 65,31 Tage

6. Wie bewertet der Senat diese durchschnittliche Verweildauer jugendlicher Straftäter vor dem Hintergrund des in den IBWs bisher praktizierten pädagogisch-therapeutischen Phasenkonzeptes, welches auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet ist und auch Jugendliche integriert, die nicht zur Vermeidung von Untersuchungshaft eingewiesen wurden (§ 34 SGB VIII)? Eine Unterbringung nach §§ 71 und 72 JGG ist nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens möglich. Die mit ihr verfolgten Ziele einer Bewahrung des Jugendlichen vor einer weiteren Entwicklungsgefährdung bzw. einer Vermeidung von Untersuchungshaft bei gleichzeitiger Sicherung des Strafverfahrens konnten in den IBW erreicht werden. Hierzu hat die Konzeption der beiden ersten Phasen des verbindlichen Betreuungskonzepts maßgeblich beigetragen. Um das in geeigneten Fällen auf einen längeren Zeitraum angelegte Phasenkonzept umsetzen zu können, waren Anschlussbetreuungen nach § 34 SGB VIII in der Einrichtung vorgesehen. Die Kombination von U-Haftvermeidung und Hilfen zur Erziehung hat sich aber nicht bewährt und wird deshalb auch nicht weiter verfolgt. 7. Wie viele Jugendliche sind während des Aufenthaltes und nach Aufenthalt in den IBWs in Haft genommen worden? (Bitte getrennt angeben für die Jahre 1998 bis 2002.) Die Zahl der Inhaftierungen der nach §§ 71 und 72 JGG in den IBW untergebrachten Jugendlichen stellt sich wie folgt dar:

Ab 11/1998 1
2

1999 4

2000 5

2001 4

2002 9

Bis 03/2003 1


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In den Jahren 2000 und 2001 kam es in jeweils einem Fall zur Inhaftierung von Jugendlichen, die im Rahmen von § 34 SGB XIII in der Einrichtung untergebracht waren. Die Zahl der Jugendlichen, die im Anschluss ihres Aufenthaltes in der IBW zu einem späteren Zeitpunkt in Haft genommen wurden, wird nicht statistisch erfasst. 8. Wie viele Jugendliche haben die IBWs unerlaubt verlassen? (Bitte getrennt angeben für die Jahre 1998 bis 2002 und differenziert nach SGB- oder JGG-Belegung [hier mit Angabe der Straftaten, derer sie beschuldigt wurden].) Die Anzahl der nach JGG untergebrachten Jugendlichen, die die IBW unerlaubt verlassen haben, stellte sich wie folgt dar:
Ab 11/1998 Gesamt Delikte (Mehrfachnennungen möglich) Diebstahl einfach mehrfach Räuberische einfach Erpressung mehrfach Körperverleteinfach zung mehrfach Raub einfach mehrfach Verstöße geeinfach gen das BtMG mehrfach 1 1999 2 2000 4 2001 5 2002 9 Bis 03/2003 0

1 1

2 1

1 1

1 2

1 1 1 1 1 1

1 2 2 2 4 1 1 1

Das unerlaubte Verlassen der Einrichtung und das Fernbleiben der nach § 34 SGB VIII untergebrachten Jugendlichen wurde nicht systematisch erfasst. 9. Wie hoch waren die Reparaturen, die durch Gewalt und Zerstörung in den IBWs entstanden sind und wie wurde darauf seitens des Trägers Landesbetrieb für Erziehung und Berufsbildung (LEB) reagiert? Die Aufwendungen für die Behebung entsprechender Schäden ergeben sich aus folgender tabellarischer Darstellung: Jahr 1999 2000 2001 2002 Betrag ca. 5000 Euro ca. 3500 Euro ca. 5400 Euro ca. 2300 Euro

Reaktionen auf Regelverstöße sehen laut Konzeption des LEB vor, dass die Sanktion in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Regelverstoß steht. Jugendliche, die einen Schaden hervorgerufen haben, müssen diesen durch finanziellen und handwerklichen Einsatz wieder beheben. Die Konzeption sieht unter anderem vor, dass Jugendliche, gemeinsam mit Handwerkern, die entsprechenden Reparaturen vornehmen. Ggf. wird die konzeptionell verankerte zunehmende Möglichkeit, an begleiteten Ausgängen teilzunehmen oder die Einrichtung ohne Begleitung für einen vorgegebenen Zeitraum zu verlassen, nicht gewährt. 10. Ist es richtig, dass es aufgrund eines nicht unerheblichen Maßes an Gewaltausbrüchen, Gewaltübergriffen und Beschimpfungen mehrere Personalwechsel in den IBWs gab? Wenn ja, wie viele Mitarbeiter wurden seit Bestehen der IBWs aus welchen Gründen ausgetauscht? Seit November 1998 haben 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Einrichtungen auf eigenen Wunsch verlassen. Die Gründe wurden statistisch nicht erfasst und sind auch den Personalakten nicht zu entnehmen. In Anbetracht der bei einem Gesamtbestand von 21,25 Stellen überdurchschnittlich hohen Fluktuation kann jedoch davon ausgegangen werden, dass hierbei auch die schwierige Arbeitssituation in den Einrichtungen eine Rolle spielte. 11. Hält der Senat die Forderungen einzelner Jugendrichter nach zusätzlichen Plätzen zur Vermeidung von Untersuchungshaft vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Auslastung für angebracht? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Nein. Angesichts der bisherigen Auslastung der IBW reichen die in der JGU jetzt zur Verfügung stehenden acht Plätze aus. 12. Inwieweit steht es den Jugendrichtern nach Ansicht des Senats – vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung – zu, auf die pädagogisch-therapeutische Ausrichtung bzw. auf die Belegung zu schaffender Einrichtungen in Hamburg Einfluss zu nehmen? Über die pädagogisch-therapeutische Ausrichtung und die für sie vorgesehene Belegung in Hamburg zu schaffender Einrichtungen entscheiden allein die zuständigen Behörden. 3


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13. Welcher Delikte wurden die Jugendlichen in den Einrichtungen zur Vermeidung von Untersuchungshaft beschuldigt? (Bitte jeweils angeben für die Jahre 1998 bis 2002.) Die folgende Tabelle stellt die in den vorläufigen Anordnungen nach §§ 71 und 72 JGG genannten Tatvorwürfe dar (im Einzelfall auch mehrere Delikte möglich):
gesamt Diebstahl räuberische Erpressung Körperverletzung Einbruch Raub Vergewaltigung versuchter Totschlag Verstöße gegen das BTMG Betrug Freiheitsberaubung Sachbeschädigung einfach mehrfach einfach mehrfach einfach mehrfach einfach mehrfach einfach mehrfach einfach mehrfach einfach mehrfach einfach mehrfach einfach mehrfach einfach mehrfach einfach mehrfach einfach mehrfach 16 24 9 19 17 8 8 7 8 4 1 3 7 16 1 1 1 1 2 2 1 ab 11/1998 ./. 1 2 1 1 1 ./. 1 ./. 1 ./. ./. 1 ./. ./. 2 ./. ./. ./. ./. ./. Brandstiftung illegaler Aufenthalt ./. ./. ./. 1999 2 5 1 5 2 2 ./. 2 2 1 ./. ./. ./. ./. 2 3 ./. 1 1 ./. 1 ./. 1 ./. 2000 5 5 2 5 6 ./. 2 1 ./. ./. ./. ./. 1 ./. 2 4 ./. ./. ./. 1 1 ./. 1 1 2001 5 4 ./. 3 1 1 1 2 1 ./. 1 ./. 1 ./. ./. 4 ./. ./. ./. ./. ./. ./. ./. ./. 2002 4 9 4 5 7 4 5 1 5 2 ./. ./. ./. ./. 3 3 1 ./. ./. ./. ./. ./. ./. ./.

14. Welchen Sicherheitsstandard weisen die Einrichtungen zur Vermeidung von Untersuchungshaft auf? In der JGU sind Bewegungsmelder installiert, die nachts aktiviert sind. Die Jugendlichen schlafen im oberen Stockwerk. Alarm wird ggf. im Betreuerzimmer ausgelöst. Die Fenster der Jugendlichenzimmer sind gesichert. Die Zugänge vom Hof sind verschlossen. Auch nachts sind Doppeldienste eingeteilt. Darüber hinaus werden unregelmäßige Anwesenheitskontrollen durchgeführt. 15. Wie hoch war die bisherige Auslastung der Jugendarrestanstalt bzw. deren durchschnittliche Belegung seit 1998? (Bitte Anzahl der Plätze sowie jährliche prozentuale Auslastung angeben.) Die bisherige Auslastung der Jugendarrestanstalt und deren durchschnittliche Belegung ergibt sich aus folgender Tabelle:
Belegungsfähigkeit durchschnittliche Belegung Jungen Mädchen Jungen 1998 1999 2000 2001 5 5 5 5 1 1 1 1 1 2 1,6 1,5 3,4 4,3 6,1 6,1 Durchschnittliche Auslastung Belegung Haftverschonte Jungen 80,00% 60,00% 86,00% 128,00% 148,00% 61,67% Mädchen 20% 40% 40% 60% 40% 20% 2,4 1,5 0,9 2,1 1,3 1,3

Mädchen Jungen 0,2 0,4 0,4 0,6 0,4 0,4

2002 5 1) ab 12 30.08.2002
1)

Heraufsetzung der Belegungsfähigkeit zur konsequenten Durchsetzung des Jugendarrestes.

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16. Wie viele Jugendliche haben trotz richterlicher Anweisung ihren Jugendarrest nicht angetreten? (Bitte getrennt für die Jahre 1998 bis 2002 angeben.) Siehe Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drucksache 17/2162 (Antwort zu 1. bis 5.). 17. Seit wann werden Jugendliche konsequent von der Polizei zur Verbüßung ihres Jugendarrests vorgeführt? Seit dem 28. November 2002. 18. Worin unterscheidet sich das neue pädagogisch-therapeutische Konzept für die intensive kurzzeitige Einwirkung auf jugendliche Straftäter von der bisher gängigen Praxis und was verspricht sich der Senat von diesem Konzept? Das neue Konzept für den Jugendarrest für eine intensive kurzzeitige Einwirkung auf jugendliche Straftäter unterscheidet sich von dem bisherigen durch folgende Maßnahmen: – Ladung unter Androhung polizeilicher Vorführung; – polizeiliche Vorführung bei unentschuldigtem Nichterscheinen; – konsequente (nicht nur stichprobenartige) Durchsuchung der Arrestanten zur Verhinderung des Einbringens von Waffen, Alkohol oder Drogen; – Verschluss der Jugendarrestanstalt von innen; – Entzug von Vergünstigungen wie z.B. Freizeitaktivitäten bei Ordnungsverstößen; – Fortbildungs- und Erziehungsgruppen zur Förderung der Gruppenverträglichkeit; – bei erfolgreicher Mitarbeit an dem Erziehungsziel Belohnung durch Einkaufsmöglichkeiten in der Anstalt sowie mit einzeln und gezielt gewährten Ausgängen. Die zuständige Behörde verspricht sich von diesem Konzept, dass der Sanktionscharakter des Jugendarrestes verdeutlicht und den jugendlichen Tätern dadurch das Unrecht ihres Handelns vor Augen geführt wird.

19. Ist geplant, die Jugendarrestanstalt organisatorisch der Strafvollzugsanstalt Hahnöfersand anzuschließen? Wenn ja, wann und wieso? Die organisatorische Anbindung an die Jugend- und Frauenvollzugsanstalt Hahnöfersand ist zum 1. Dezember 2002 umgesetzt worden. Die Maßnahme diente dem Ziel, über organisatorische und personelle Synergieeffekte den zuständigen Jugendrichter als Vollzugsleiter der Jugendarrestanstalt von organisatorischen Aufgaben spürbar zu entlasten, damit er besser als bisher in der Lage ist, sich der inhaltlichen Gestaltung des Arrestvollzuges zu widmen.

20. Wie viele Plätze stehen in der Strafvollzugsanstalt Hahnöfersand zur Verfügung und wie war die durchschnittliche Belegung dieser Plätze in den Jahren 1998 bis 2002? Die Anzahl der Plätze im Jugendbereich der Jugend- und Frauenvollzugsanstalt Hahnöfersand und deren durchschnittliche Belegung ergibt sich aus folgender Tabelle:

Belegungsfähigkeit (Plätze) geschlossen davon U-Haft 1998 1999 2000 2001 2002
1)

offen 31 31 31 31 22
1)

durchschnittliche Belegung (Plätze) geschlossen davon U-Haft 150,6 133,0 157,7 190,8 201,7 89,0 75,0 93,8 100,3 117,5

offen 11,4 12,4 9,5 11,8 10,1

167 167 167 211 211

117 117 117 117 117

Die geringere Belegungsfähigkeit im offenen Bereich beruht nicht auf einer Reduzierung der Haftplätze, sondern darauf, dass das so genannte Dorf, eine Abteilung des offenen Vollzuges in einem gesonderten Gebäude, das schon seit etlichen Jahren nicht mehr belegbar und funktionsfähig ist, erst im Jahre 2002 aus der Statistik zur Belegungsfähigkeit herausgenommen wurde.

21. Wie hoch war die durchschnittliche tatsächliche Belegung der Jugendvollzugsanstalt Hahnöfersand aufgeteilt nach Untersuchungshäftlingen, Strafgefangenen im geschlossenen Vollzug und Strafgefangenen im offenen Vollzug? (Bitte jeweils angeben für die Jahre 1998 bis 2002.) Die durchschnittliche tatsächliche Belegung in der Jugendanstalt Hahnöfersand betrug (in Prozent): Im geschlossenen Vollzug 1998 1999 2000 2001 2002 90,18 79,64 94,43 90,43 95,59 Davon in der U-Haft 76,07 64,10 80,17 85,73 100,43 Im offenen Vollzug 37 40 31 38 46 5


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22. Welche Angebote (Sprachen, Sport, Berufsausbildung u.a.) werden in der Jugendvollzugsanstalt Hahnöfersand zur Verfügung gestellt? Folgende Angebote werden den inhaftierten Jugendlichen in der Jugendanstalt Hahnöfersand zur Verfügung gestellt: 1. Schulische Angebote: Alphabetisierung, Deutsch als Fremdsprache mit der Möglichkeit eines Zertifikatsabschlusses, Deutsch für Rückkehrer, Elementarbildung, Hauptschulabschluss. 2. Berufliche Qualifizierung: 2.1. Berufsfindungskurse in den Bereichen – – – – – – – – – – – Farbe, Bau, Metall, Holz, Arbeitstherapie, EDV-Kurs. Malerei, Maurerei, Schlosserei, Tischlerei, PC-Recycling.

2.2. Ausbildungs- und Anlernbetriebe in den Bereichen

2.3. Schulische und berufliche Qualifizierung: Lernwerkstatt (theoretische und praktische Ausbildung mit Hauptschulabschluss). Geplant ist im Sommer 2003 die Einrichtung eines Garten- und Landschaftsbaubetriebes mit entsprechender Qualifizierungsmöglichkeit. 3. Sportangebote: Sport wird für alle Bereiche der Jugendanstalt durch einen Sportpädagogen angeboten. Dadurch hat jeder Insasse die Möglichkeit, mindestens einmal wöchentlich (oftmals mehrfach) am Sport teilzunehmen. Darüber hinaus gibt es mehrere angeleitete Sportfreizeitgruppen. 4. Freizeitgruppen: Glasmalerei, Holzfiguren-Spielgruppe, Holzbastelgruppe, Computergruppe. Von ehrenamtlichen Vollzugshelfern geleitet, werden zwei Kochgruppen und zwei informelle Gruppenangebote angeboten.

23. Wie hat sich der Personalschlüssel in den Jahren 1998 bis 2002 in der Jugendvollzugsanstalt Hahnöfersand entwickelt? Ein Personalschlüssel ist für den Jugendbereich der Jugend- und Frauenvollzugsanstalt Hahnöfersand nicht exakt zu ermitteln, weil es eine Reihe von Dienstposten gibt, die sowohl für den Jugend- als auch für den Frauenvollzug eingerichtet sind. Als Basis für die Berechnung ist daher der Personalbestand jeweils per 1. Januar eines Jahres auf der Grundlage des tatsächlich vorhandenen Haftplatzbestandes gewählt worden. Dabei ist zu beachten, dass es auf Hahnöfersand sowohl den offenen als auch den geschlossenen Vollzug für Jugendliche gibt. Daher ist es beispielsweise möglich, dass bei voller Belegung des geschlossenen Bereichs im offenen Bereich noch freie Plätze vorhanden sind. Dies vorausgeschickt, stellt sich der Personalschlüssel in den Jahren 1998 bis 2002 wie folgt dar: Jahr Personalschlüssel auf der Grundlage der tatsächlich zur Verfügung stehenden Haftplätze (jeweils per 1. Januar) 0,91 0,83 0,73 0,74 0,71

1998 1999 2000 2001 2002

24. Wie viele Entweichungen gab es in den Jahren 1998 bis 2002 in der Jugendvollzugsanstalt Hahnöfersand? Von 1998 bis 2002 sind im Jahr 1999 zwei Gefangene aus dem offenen Vollzug und im Jahre 2002 zwei Gefangene aus dem geschlossenen Bereich entwichen. 6


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25. Wie hoch ist der jahresdurchschnittliche Ausländeranteil (wenn möglich, unter Angabe des Anteils von Unionsbürgern und Nicht-Unionsbürgern) bei den Unterbringungen von jugendlichen Straftätern a) in der Strafvollzugsanstalt Hahnöfersand? Der durchschnittliche Anteil von ausländischen jugendlichen Gefangenen in der Jugendanstalt Hahnöfersand ergibt sich aus folgender Tabelle:

Geschlossener Bereich durchdavon Anteil schnittli- nicht in % che Be- aus EU legung 1998 150,6 1999 133,0 2000 157,7 2001 190,8 2002 201,7 94,2 72,8 93,0 115,8 121,5 62,5% 54,7% 59,0% 60,7% 60,2% davon aus EU Anteil in %

Offener Bereich durchdavon schnittli- nicht che Be- aus EU legung 11,4 12,4 9,5 11,8 10,1 5,3 6,5 3,5 2,5 1,3 Anteil in % davon aus EU

5,3 6,5 3,5 2,5 1,3

3,5% 4,9% 2,2% 1,3% 0,6%

46,5% 0 52,4% 0 36,8% 0 21,2% 0 12,9% 0

Die Staatsangehörigkeit im Jugendarrestvollzug wird nicht erfasst. 25. b) in Einrichtungen zur Vermeidung von Untersuchungshaft? Der jahresdurchschnittliche Anteil von Ausländern in den IBW bei Unterbringungen nach §§ 71 und 72 JGG ergibt sich aus folgender Tabelle: Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 Die Staatsangehörigkeit wird nicht erfasst. 25. c) in Einrichtungen des Jugendarrests? (Bitte jeweils angeben für die Jahre 1998 bis 2002.) Siehe Antwort zu 25.a). 26. Wie hoch ist der Kostensatz pro Tag und Platz a) in der Strafvollzugsanstalt Hahnöfersand? b) in Einrichtungen zur Vermeidung von Untersuchungshaft? c) in Einrichtungen des Jugendarrests? Der Tages-Haftkostensatz ist für den Jugendvollzug in der Jugend- und Frauenvollzugsanstalt Hahnöfersand nicht exakt zu ermitteln, da es verschiedene Dienstposten und Funktionen gibt, die sowohl für den Jugend- wie auch für den Frauenvollzug eingerichtet sind (siehe oben). Auch im Bereich der Sachkosten gibt es Überschneidungen, die hier jedoch – soweit möglich – berücksichtigt wurden. Personalkosten gehen mit den Budgetwerten in die Rechnung ein. Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten ergibt sich ein Haftkostensatz für die jugendlichen und heranwachsenden Gefangenen (Jugenduntersuchungshaftgefangene und Jugendstrafgefangene sowie bis zu zehn jugendliche und heranwachsende Abschiebungshaftgefangene) in Höhe von 104,38 Euro täglich. Der Kostensatz pro Tag für einen Platz zur Vermeidung von Untersuchungshaft in der JGU beträgt 219,50 Euro. In der Teilanstalt für Jugendarrest der Jugend- und Frauenanstalt Hahnöfersand sind Arrestanten, Jugendliche und Heranwachsende, bei denen die U-Haft-Unterbringung vermieden werden soll, sowie eine geringe Anzahl von Jugendstrafgefangenen im Übergangsvollzug im gleichen Gebäude untergebracht. Für alle Untergebrachten gibt es einen einheitlichen Personalkörper. Eine Differenzierung der Kosten ist daher nicht möglich. Aus diesem Grunde ist der Tages-Haftkostensatz für alle jugendlichen und heranwachsenden Gefangenen und Arrestanten gleich. Er beträgt 183,78 Euro. Der im Vergleich zum Jugendvollzug wesentlich höhere Haftkostensatz ergibt sich aus der Höhe der belegungsunabhängigen festen Kosten: je kleiner die Einrichtung, desto höher die Haftkosten. 27. Wie viele jugendliche Straftäter wurden in den Jahren 1998 bis 2002 in welchen auswärtigen Einrichtungen untergebracht? (Bitte Darstellung des Kostensatzes, des Ausländeranteils und der Art der Einrichtung.) Jugendliche weibliche Strafgefangene werden aufgrund eines Staatsvertrages zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und Niedersachsen in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta untergebracht. 7 Anteil Ausländer 40,0 Prozent 60,7 Prozent 65,4 Prozent 56,0 Prozent 65,5 Prozent


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Anzahl

1998 1999 2000 2001 2002

3 1 4 4 4

davon HaftkostenAusländer satz in Euro 1 72,42 1 1 1 0 70,35 73,52 78,18 81,68

Hafttage

Gesamtkosten

68 130 277 283 357

4.924,87 9.145,99 20.366,96 22.123,96 29.159,76

28. Welche Unterschiede gibt es bei der gerichtlichen Unterbringung von männlichen und weiblichen jugendlichen Straftätern? Der Vollzug der Jugendstrafe an weiblichen und männlichen Jugendstrafgefangenen richtet sich nach § 92 ff. JGG und den bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug (VVJug), der Vollzug des Jugendarrestes nach der Jugendarrestordnung. Der Grundsatz der Trennung von weiblichen und männlichen jugendlichen Straftätern wird dabei beachtet. Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der vollzuglichen Gestaltung werden berücksichtigt. In der Einrichtung zur Vermeidung von Untersuchungshaft können männliche und weibliche Jugendliche gemeinsam betreut werden. Die erforderlichen baulichen Voraussetzungen hierfür sind vorhanden. Die unterschiedlichen Bedürfnisse und Betreuungsbedarfe männlicher und weiblicher Jugendlicher werden – wie in der Jugendhilfe allgemein – berücksichtigt. 29. Wie viele delinquente Jugendliche wurden in den Jahren 1998 bis 2002 durch richterliche Verfügung in welchen Einrichtungen untergebracht und welche Kosten sind hierbei entstanden? Zur Anzahl der im Jugendvollzug und im Jugendarrest untergebrachten Jugendlichen wird auf die Antworten zu 15. und zu 20. verwiesen. Dadurch sind folgende Kosten (in Euro) entstanden: Jugendanstalt

Gesamtkosten 1998 1999 2000 2001 2002 10.214.355 9.513.208 8.853.237 9.151.096 8.068.104

Hafttage 70.661 67.023 70.604 73.995 77.292

Kosten pro Hafttag 144,55 141,94 125,39 123,67 104,38

Jugendarrest

Gesamtkosten 1998 1999 2000 2001 2002 448.396 438.658 455.952 488.483 581.667

Hafttage 2.550 2.927 2.636 3.036 3.165

Kosten pro Hafttag 175,84 149,87 172,97 160,90 183,78

Im Zeitraum 1998 bis 2002 wurden 128 Jugendliche durch richterlichen Beschluss in den IBW des LEB untergebracht. Die daraus resultierenden Kosten beliefen sich auf 2 633 996,36 Euro. 30. Wie werden zurzeit strafunmündige Kinder (unter 14 Jahren) betreut, die mehrfach delinquent geworden sind? Entsprechend dem Senatskonzept zur verbindlichen Betreuung mehrfach delinquenter Minderjähriger erhält das neu eingerichtete Familien-Interventions-Team der Behörde für Soziales und Familie (FIT) eine Meldung der Polizei über strafunmündige Kinder unter 14 Jahren, bei denen im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher sozialer oder erzieherischer Defizite bzw. einer Kindeswohlgefährdung durch die Begehung gravierender Straftaten erkennbar wurden. Das FIT bzw. die Allgemeinen Sozialen Dienste der Bezirksämter nehmen unverzüglich Kontakt mit den Minderjährigen und ihren Personensorgeberechtigten auf, führen eine Problemanalyse gemeinsam mit den Betroffenen durch und leiten bei Bedarf notwendige und geeignete Maßnahmen nach SGB VIII 8


Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 17. Wahlperiode

Drucksache 17/2487

ein. Bei Bedarf wird das Familiengericht mit dem Ziel angerufen, die Personensorgeberechtigten zu einer Mitwirkung an dem Hilfeprozess zu bewegen, bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen nach § 1666 BGB das Personensorgerecht in Teilen oder zur Gänze auf einen Vormund zu übertragen oder die Durchführung freiheitsentziehender Maßnahmen nach § 1631b BGB zu genehmigen. Für die Durchführung freiheitsentziehender Maßnahmen im Rahmen von erzieherischen Hilfen nach § 34 SGB VIII steht bei Bedarf die geschlossene Einrichtung Feuerbergstraße des LEB zur Verfügung. 31. Welche Vor- und Nachteile resultieren nach Ansicht des Senats aus der Dezentralisierung des Bezirksjugendgerichts sowie der Dezentralisierung der Aufgaben der Ermittlungsrichtertätigkeit? Stadtteilgerichte arbeiten besonders effektiv und flexibel. Insoweit wird auf die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft in der Drucksache 17/953 (dort I.) verwiesen. Strafsachen für Erwachsene werden bereits heute erfolgreich dezentral in den Stadtteilgerichten bearbeitet. Ähnliche Effekte sind bei einer dezentralen Zuständigkeit der Amtsgerichte in Jugendsachen zu erwarten. Hintergründe zur Biografie des Tatverdächtigen im Zusammenhang mit möglichen früheren Auffälligkeiten sind wegen der regelmäßig am selben Gericht begründeten Zuständigkeit für Vormundschafts- und Familiensachen besser verfügbar. Als weiterer Vorteil gilt die Ortsnähe des Gerichts. Wege für Prozessbeteiligte wie Zeugen, Polizei und Jugendgerichtshilfe werden vielfach kürzer. Ortsnahe Verhandlungen führen zu einer erhöhten Akzeptanz der gerichtlichen Entscheidungen. Die enge Kooperation zwischen Polizei, dezentralem Gericht und Jugendgerichtshilfe erleichtert die Strafverfolgung. Darüber hinaus stellen sich Jugendliche eher einer ihnen bekannten Institution aus dem Stadtteil als einem weit entfernten Gericht; insoweit kann auch zur Beschleunigung beigetragen werden. Zahlreiche vom Jugendrichter erteilte Auflagen und Weisungen haben außerdem Bezüge zu den Aktivitäten und Angeboten der Jugendgerichtshilfe im Bezirk. Das Problem jeder Dezentralisierung ist der höhere Aufwand bei Verwaltungsabläufen, hier insbesondere bei Zuführungen. 32. Welche Erfahrungen konnten mit dem bisher dezentralisierten Bezirksjugendgericht Barmbek gewonnen werden? Siehe Antwort des Senats auf die Große Anfrage Drucksache 17/1547 (Antwort zu 3. und 4. sowie die dortige Vorbemerkung).

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