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Einführung von einheitlicher Schulkleidung an Hamburger Schulen (II)

Als pdf: 16/6411 | Einführung von einheitlicher Schulkleidung an Hamburger Schulen (II) (Schriftliche Kleine Anfrage)


BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG 16. Wahlperiode

Drucksache

16/6411
20. 07. 01

Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Klaus-Peter Hesse (CDU) vom 11. 07. 01 und

Antwort des Senats

Betr.: Einführung von einheitlicher Schulkleidung an Hamburger Schulen (II)
Presseberichten zufolge wird ab März 2002 in Guben/Brandenburg erstmals eine Klasse des Pestalozzi-Gymnasiums mit einheitlicher Schulkleidung mit Hilfe von Landesmitteln ausgestattet. Die Einführung der einheitlichen Schulkleidung sollen die Schülerinnen und Schüler mit Zustimmung der Klassenlehrerin selbst beschlossen haben. Ziel der Initiative sei es, dem Markenzwang an Schulen ein Ende zu bereiten sowie eine Senkung der Gewaltkriminalität, also so genannter Abziehdelikte, bei denen Schülern teure Markenkleidung geraubt wird, zu erreichen. Nach einer Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer hat jeder dritte Neuntklässler in Hamburg Angst davor, „abgezogen“ zu werden. In Hamburg-Sinstorf gibt es seit September 2000 eine Schulklasse, die allein durch das Tragen einheitlicher Sweatshirts positive Erfahrungen im Unterricht gemacht hat. Auch andere Bundesländer erwägen mittlerweile die Einführung einheitlicher Schulkleidung im Rahmen von Modellversuchen. Ich frage den Senat: 1. Welche aktuellen Erkenntnisse liegen dem Senat aus dem Projekt Hamburg-Sinstorf vor und wie bewertet der Senat diese? Das Thema „Kleidung“ – so die Berichte aus der Schule Sinstorf – spielt während des Schulvormittags in der Klasse 5b, die seit September 2000 täglich Schulpullis trägt, kaum noch eine Rolle und wird nur aufgegriffen, wenn es im Zusammenhang mit spezifischen Unterrichtsthemen wie z.B. Werbung steht. Ausgrenzungen bestimmter Schülerinnen und Schüler, die nicht über hochwertige Markenkleidung verfügen, nahmen in dieser Klasse ab. Das Gruppengefühl ist deutlich gestärkt worden; die Schülerinnen und Schüler zeigen gern, dass sie zur Klasse 5b gehören. Neuzugänge konnten dadurch, dass sich deren Eltern dem Konsens anschlossen, einfacher in die Klasse integriert werden. Auch der Kostenfaktor wird von den Eltern positiv bewertet. Einzelne Lehrkräfte, einschließlich der Schulleitung, tragen gelegentlich Schulpullover. Die größte Akzeptanz besteht beim Elternrat, der komplett mit Schulpullovern ausgestattet ist und sie zu seinen regelmäßigen Sitzungen trägt. Das Vorhaben soll auch den Eltern der beiden künftigen fünften Klassen angeboten werden. Das Projekt ist auf ein bundesweit großes Medieninteresse gestoßen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass dieses Projekt das Klima in der Klasse positiv beeinflusst, insbesondere wohl auch deshalb, weil es in der Schule „geboren“ wurde und Schülerinnen und Schüler samt ihren Eltern dahinter stehen. 2. Haben sich weitere Schulen bzw. Schulklassen in Hamburg für die Einführung einheitlicher Schulkleidung entschieden? Wenn ja, welche und mit welchem Erfolg? Es liegen mündliche Anfragen von anderen Schulen vor. So trägt sich z.B. die Grundschule Kerschensteinerstraße mit dem Gedanken, ein ähnliches Projekt zu starten. Konkrete Entscheidungen wurden noch nicht getroffen.

Bürgerschaftsdrucksachen – außer Senatsvorlagen – sind – gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier – zu beziehen bei: Druckerei Wartenberg & Söhne GmbH, Theodorstraße 41 w, 22761 Hamburg, Telefon 89 97 90 - 0


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3. Bestehen in Hamburg Möglichkeiten für Schulen, finanzielle Unterstützung bei der Einführung einheitlicher Schulkleidung durch die Behörde zu erhalten? Wenn ja, welche? Wenn nein, wie bewertet der Senat das Engagement des SPD-Bildungsministers in Brandenburg, solche Projekte auch finanziell zu unterstützen? Nein. Der Senat sieht im Übrigen davon ab, die Ausgabenpolitik anderer Länder zu bewerten.

4. Wäre der Senat bereit, auf Antrag Schulen bei der Einführung einheitlicher Schulkleidung finanziell zu unterstützen? Es ist Aufgabe der Eltern, die Kleidung ihrer Kinder zu finanzieren.

5. War die Einführung einheitlicher Schulkleidung bereits Thema der Minister- und Senatorenkonferenz? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, wann soll dort darüber beraten werden? Nein. Eine Befassung mit diesem Thema ist zurzeit nicht geplant.

6. Wie ist die Entwicklung von Raubstraftaten in den letzten drei Jahren bei Jugendlichen und Heranwachsenden im Alter von bis zu 21 Jahren (bitte auch aufschlüsseln nach Abziehdelikten und sonstigen Raubstraftaten)? Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) der Polizei Hamburg enthält innerhalb der Raubstraftaten keine gesonderte Erfassung der so genannten Abziehdelikte. Die nachfolgenden Tabellen enthalten einen Überblick der Jahre 1998 bis 2000 sowie der ersten Halbjahre 1999 bis 2001 über die Entwicklung der Tatverdächtigenzahlen bei Raubstraftaten insgesamt, den Handtaschenrauben und den sonstigen Rauben auf Straßen, Wegen und Plätzen. In diesen beiden Deliktsbereichen liegt der Schwerpunkt der so genannten Abziehdelikte. 1998 Raub insgesamt Jugendliche Heranwachsende Handtaschenraub Jugendliche Heranwachsende Sonstiger Raub auf Straßen, Wegen pp. Jugendliche Heranwachsende 564 223 636 259 775 309 29 12 41 9 30 15 791 378 834 392 915 452 1999 2000

Für die Bewertung der Tatverdächtigenzahlen ab 1999 gilt: Die Aussagekraft der PKS Hamburg zu den Tatverdächtigen ist deutlich höher als in den Jahren zuvor. Die Gründe liegen in der Umstellung des Erfassungsverfahrens, durch die eine statistische Überhöhung bei der „Echttäterzählweise“ beseitigt wurde, die noch bis in das Jahr 1998 hinein vorhanden war. Das bedeutet aber auch, dass die Tatverdächtigenzahlen ab 1999 nur noch bedingt mit denen der Vorjahre vergleichbar sind. erstes Halbjahr 1999 Raub insgesamt Jugendliche Heranwachsende Handtaschenraub Jugendliche Heranwachsende Sonstiger Raub auf Straßen, Wegen pp. Jugendliche Heranwachsende 291 119 412 149 311 101 21 4 14 6 14 11 415 197 498 226 412 176 erstes Halbjahr 2000 erstes Halbjahr 2001

Während im Jahresvergleich 1998 bis 2000 (erste Tabelle) ein kontinuierlicher Anstieg beim Raub insgesamt festzustellen ist, lässt sich im Halbjahresvergleich der Jahre 1999 bis 2001 (zweite Tabelle) bereits nach einem starken Anstieg in 2000 ein ebenso deutlicher Rückgang in 2001 feststellen, der fast das Niveau des Jahres 1999 erreicht.

7. Da die Beantwortung der Kleinen Anfrage Drucksache 16/5214 keinen Aufschluss darüber gibt, wie hoch der Anteil an Abziehdelikten auf dem Schulweg und in der Schule an von Jugendlichen begangenen Raubstraftaten ist, ist folgende Nachfrage erforderlich: Gibt es Untersuchungen, wie viele Abziehdelikte in den letzten drei Jahren auf dem Schulweg oder in der Schule begangen wurden? Wenn ja, welche und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum hält der Senat das Problem der Zunahme von Raubdelikten in der Schule und im Umfeld nicht für untersuchungswürdig? 2


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8. Könnte sich der Senat vorstellen, im Wege eines Modellversuchs festzustellen, ob die Zahl der so genannten Abziehdelikte in der Schule und auf dem Schulweg durch die Einführung einheitlicher Schulkleidung gesenkt werden kann? Wenn ja, wo, wann und unter welchen Bedingungen gedenkt der Senat einen Modellversuch zur Einführung einheitlicher Schulkleidung zu unterstützen? Wenn nein, hält der Senat die Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Delikte derzeit für ausreichend? Einer Differenzierung der Zahlen sind durch die bundesweit einheitliche Struktur der PKS Grenzen gesetzt. Separate Zahlen über Straftaten an Hamburger Schulen und auf dem Schulweg liegen insoweit nicht vor. Die Polizei hat aber die Zunahme der Raubstraftaten im Rahmen der ständigen Lagebeurteilung untersucht und frühzeitig sowohl mit präventiven als auch repressiven Maßnahmen, unter anderem mit dem erfolgreichen Anti-Raub-Konzept, reagiert. Die Einführung einer einheitlichen Schulkleidung im Wege eines auf einzelne Klassen oder Schulen begrenzten Modellversuchs kann keine gesicherten Erkenntnisse darüber bringen, ob sie in Hamburg insgesamt zu einer Senkung von so genannten Abziehdelikten auf dem Schulweg führt. 9. Ist der Senat der Auffassung, dass durch das Tragen einheitlicher Schulkleidung das Problem der sozialen Unterschiede und der damit häufig einhergehenden Ausgrenzung einzelner Schülerinnen und Schüler verringert werden kann? Die pädagogische Arbeit der Hamburger Schulen ist ohnehin daraufhin gerichtet, die Folgen sozialer Unterschiede und Ausgrenzungen zu mindern. Im Rahmen der Eigenverantwortlichkeit der Schulen obliegt es ihnen, entsprechende pädagogische Maßnahmen zu treffen. Die Frage, ob eine einheitliche Schulkleidung hierzu beitragen kann, lässt sich nicht beantworten, weil darüber keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen.

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